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Pressemitteilung vom 27.05.2024 zur Aktion in Erfurt

Der Katholikentag bewegt sich nicht

(Erfurt) Protestbündnis demonstriert gegen die öffentliche Subventionierung des Katholikentags und die unzureichende Aufarbeitung des Missbrauchsskandals 

Seit nunmehr 10 Jahren reist die Aktionsgruppe „11. Gebot“ mit ihrer 3 Meter hohen Moses-Figur zu jedem Kirchen- und Katholikentag, um die Veranstalter an das 11. Gebot zu erinnern: „Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ Dieses Jahr wird jeder Teilnehmer des Katholikentags, der vom 29. Mai bis 02. Juni in Erfurt stattfindet, mit rund 115 Euro aus allgemeinen Steuergeldern subventioniert. Begleitet wird „Moses“ von zwei weiteren Großplastiken: Mit dem international bekannt gewordenen „Hängemattenbischof“ kritisiert die Aktionsgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung gemeinsam mit dem „Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen“ die Verschleppungstaktik der Kirche hinsichtlich der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in kirchlicher Verantwortung. Die dritte Skulptur – „Der Geldhamster“ – spielt auf den unfassbaren Reichtum der katholischen Kirche an, die sich nach außen hin stets als „arme Kirchenmaus“ präsentiert und daher bei den Entschädigungen für die Opfer knausert und sich die Katholikentage stets mit Millionen vom Staat bezuschussen lässt. Der angemeldete Standort wurde dem Protestbündnis erneut verboten. An der Stelle auf dem Erfurter Anger stehen stattdessen – passend zum Katholikentagsleitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ – die Bundeswehr und der Bundestag und rekrutieren neue Soldaten für den Frieden.

Mit drei Großplastiken, einer „Kirchenaustritts-Beratungsstelle“ und einer Ausstellung zur Geschichte Betroffener sexualisierter Gewalt will das Aktionsteam „11. Gebot“ gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen auf die hinkende Trennung von Staat und Kirche sowie die verschleppte Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in kirchlicher Verantwortung aufmerksam machen. Auch im Katholikentagsprogramm wird die Aufarbeitung weitgehend ausgeblendet: So findet man auf der Webseite des Katholikentags unter dem Suchbegriff „Missbrauch“ exakt fünf Veranstaltungspunkte – bei über 500 Programmpunkten insgesamt. Von den fünf Treffern beschäftigt sich nur einer mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche. 

Jens Windel von der Betroffeneninitiative-Hildesheim, der als Betroffener aktuell das Bistum Hildesheim wegen Amtshaftung auf Entschädigung verklagt, stellt dazu die Frage: 

Wie kann es sein, dass dieses Thema, das mit zehntausenden Betroffenen und mehreren hunderttausend juristisch nie aufgearbeiteten Straftaten seit 1949 den größten Justizskandal der Nachkriegsgeschichte in Deutschland darstellt und trotzdem die Kirchen nicht von der Bundesregierung zur Rechenschaft gezogen werden? Die Missbräuche stellen einen direkten Verstoß gegen Artikel 1 GG dar, einen Verstoß gegen die Menschenwürde, dem wichtigsten Artikel im Grundgesetz. Trotz dieser eklatanten Nichtbeachtung von Grundrechten durch die Kirchen feierten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Spitzen der Verfassungsorgane vor wenigen Tagen das 75. Jubiläum unserer Verfassung gemeinsam mit den Kirchenoberhäuptern.

 

Machtdemonstration in der Innenstadt? 

Während wichtige Themen zu kurz kommen, wird beim Platzverbrauch nicht gespart. Hierzu David Farago, Initiator und Leiter der Aktionsgruppe „11. Gebot“: 

Nach dem Besucherzahlen-Desaster Katholikentag 2022 in Stuttgart, auf dem lediglich 27.000 Menschen angereist und davon über 7.500 Menschen Mitarbeiter bzw. Helfer waren, kündigte der Katholikentag selbst an, kleiner werden zu wollen. Warum beansprucht der Katholikentag 2024 erneut die ganze Innenstadt und darüber hinaus öffentliche Flächen und damit unzählige tausend Quadratmeter als Veranstaltungsfläche, welche für 300.000 Besucher ausreichen würden, obwohl er auf seinem eigenen Internetauftritt aktuell selbst nur von maximal 20.000 Besuchern ausgeht?

Obwohl die Versammlung des Protestbündnisses vor mehreren Wochen angemeldet wurde, brauchte die Versammlungsbehörde der Stadt Erfurt bis zum heutigen Montag, um den angemeldeten Standort zu verbieten, da hier – passend zum Katholikentagsleitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“  – die Bundeswehr steht und neue Soldaten für den Frieden rekrutiert. Hilfe dafür bekommt sie direkt nebenan von einem Promotion-Truck des Bundestages. 

Ziel des Protestbündnisses war es, dem Katholikentag bei der Erfüllung seines Vorsatzes, kleiner werden zu wollen, unter die Arme zu greifen und die ausufernde Veranstaltungsfläche wenigstens symbolisch etwas einzugrenzen. Doch auch alle drei Alternativstandorte, die das Protestbündnis vorgeschlagen hatte, wurden von der Stadt Erfurt abgelehnt und die zur Verfügung gestellte Versammlungsfläche wurde um mehr als 50 Prozent verkleinert im Vergleich zur Versammlungsanmeldung.

 

2,3 Millionen Euro Steuergeld für ein katholisches Sommerfest? 

Neben diesen beiden großen Fragen kritisiert das „11. Gebot“ nunmehr seit 10 Jahren die außergewöhnlich großzügige Finanzierung der christlichen Glaubensfeste, welche gegen den Verfassungsgrundsatz der weltanschaulichen Neutralität verstößt und zudem der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland widerspricht. Hierzu David Farago: 

Seit dem Frühjahr 2022 sind erstmals weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland Mitglied in der katholischen oder evangelischen Kirche. In Erfurt hatten bereits 2010 beide Kirchen zusammen nur noch einen Anteil von weniger als 20 Prozent an der Bevölkerung, die Konfessionsfreien liegen heute bei über 85 Prozent, was dazu führte, dass der Katholikentag selbst mit der Hilfe des MDR massive Probleme hatte, Privatunterkünfte für sein Glaubensfest zu finden, mit denen die katholische Veranstaltung sogar noch steuerfrei Geld verdient.

Trotz dieser eindeutigen Veränderung in der Gesellschaft wird der Katholikentag in Erfurt mit mindestens 2,3 Millionen Euro von der öffentlichen Hand gefördert, kritisiert Maximilian Steinhaus vom Aktionsteam und ergänzt: 

Im Einzelnen geben das Land Thüringen 1,2 Millionen Euro, der Bund 500.000 Euro und die mit über 78 Millionen Euro verschuldete Stadt Erfurt 600.000 Euro, welche sie faktisch als Kredit aufnehmen muss, um das Geld der Kirche für ihr nicht nachhaltiges Missionierungsfest zu schenken. Von den Gesamtkosten in Höhe von 7,1 Millionen Euro trägt die öffentliche Hand daher 32,4 Prozent. Dieser Betrag ist in mehrfacher Hinsicht deutlich zu hoch.“ 

In der Begründung für die Zuschüsse ging man noch von 40.000 bis 80.000 Teilnehmenden und ca. 1.000 Veranstaltungen aus. Stattdessen werden es nun wohl nur rund 20.000 Besucher und nur 500 Programmangebote sein, wie der Katholikentag selbst auf seiner Veranstaltungsseite angibt. Steinhaus rechnet vor: 

Bei 2,3 Millionen Euro von der öffentlichen Hand und 20.000 Teilnehmern wird jeder Besucher mit 115 Euro aus Steuermitteln subventioniert. Fällt die Besucherzahl noch niedriger aus, wäre die Pro-Kopf-Quote sogar noch höher. Eine absurd hohe Summe! Zum Vergleich: Für das berühmte Krämerbrückenfest gab Erfurt 2023 nur rund 300.000 Euro aus – konnte damit aber über 110.000 Besucher anlocken. Das berühmte Volksfest kostete den Steuerzahler also weniger als 3 Euro je Besucher. Der Katholikentag erhält im Vergleich das 38-fache an Steuermitteln!

Die öffentlich Förderung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Katholikentag Programmpunkte anbiete, die nicht nur für Katholiken, sondern für die gesamte Gesellschaft von Interesse seien: Wenn man in der Programmdatenbank alle Schlagworte mit religiösem Bezug auswählt, erhält man 381 Ergebnisse. Über 76 Prozent der 500 Veranstaltungen drehen sich also um religiöse Themen. Darüber hinaus werden selbst weltliche Themen häufig durch die religiöse Brille betrachtet. Es wundert daher nicht, dass nach den eigenen Studien des Katholikentags weniger als zwei Prozent der Besucher keine Christen sind. 

Schließlich greife auch der Vergleich mit städtischen Kultur- und Sportveranstaltungen, die ebenfalls gefördert werden, zu kurz, meint Farago: 

Es ist ein allgemeiner Grundsatz des Haushaltsrechts, dass öffentliche Förderungen nur vergeben werden, wenn der Veranstalter die Kosten nicht selbst decken könnte. Während Kultur- und Sportvereine jedoch in aller Regel unterfinanziert sind, besitzt das Bistum Erfurt ein Vermögen von 323,5 Millionen Euro. Allein 2023 betrugen die Erträge 61,55 Millionen Euro und das Bistum erwirtschaftete einen steuerfreien Gewinn von 2,6 Millionen Euro. Um sich dem Argument zu entziehen, die Kirche könne die Veranstaltung nicht vollständig aus eigenen Mitteln finanzieren, schiebt sie den ‚armen‘ Katholikentags-Verein als angebliche Laienbewegung und Veranstalter vor – doch dies kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Bistum Erfurt offiziell Mitveranstalter ist und das ZdK zu über 83 Prozent von der Amtskirche finanziert wird und größtenteils mit Kirchenfunktionären besetzt ist. Von einer unabhängigen Bewegung kann daher keine Rede sein.

 

Der Katholikentag schweigt 

Teamchef und Aktionskünstler David Farago hat dem Veranstalter des Katholikentages eine E-Mail mit Bitte um Stellungnahme geschickt. Auf die Fragen zum Trägerverein und der Ankündigung von 2022, dass der Katholikentag kleiner werden müsse, dem erneut dreisten Flächenanspruch des Veranstalters, der Subventionierungsthematik, der Kündigung des Vorsitzenden des Trägervereins, der unterrepräsentierten Missbrauchsthematik im Programm und der Problematik der Vermittlung von Privatunterkünften hat der Veranstalter bis heute noch nicht reagiert. Unsere Presseanfrage an den Katholikentag in Erfurt können Sie auf unserer Homepage 11tes-gebot.de einsehen.

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Termine:  

Das Aktionsbündnis wird von Mittwoch bis Samstag jeweils von 10 bis 20 Uhr auf dem Erfurter Anger vor dem Gebäude der Deutschen Post protestieren. Tagesformabhängig werden wir auch außerhalb dieser Kernzeiten präsent sein. Es empfiehlt sich ggf. eine telefonische Absprache mit dem Versammlungsleiter David Farago (Kontakt s.u.). 

Die Aktionsgruppe „11. Gebot“ und das „Aktionsbündnis Betroffeneniniativen“ laden ein zu einer ersten Pressekonferenz am Donnerstag, dem 29.05.2024, um 11:11 Uhr auf dem Anger vor dem Gebäude der Deutschen Post. 

By maximilian
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