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Öffentlicher Brief an die Ratsmitglieder

31. Okt. 2014

Öffentlicher Brief an die Ratsmitglieder von Münster gegen die Förderung des Katholikentags 2018 mit 1,5 Mio. EUR

Sehr geehrte Ratsmitglieder,

am 10. September haben Sie den Beschluss gefasst, die Frage der Subventionierung des Katholikentags 2018 einer „grundlegenden Prüfung“ durch die Verwaltung zu unterziehen. Wir – die Aktiven der Kunstaktion 11. Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen! – möchten Ihnen gerne die Antworten der Konfessionsfreien und Atheisten zu den von Ihnen formulierten Fragen unterbreiten – immerhin stellen wir mit 36,6 % inzwischen die größte Bevölkerungsgruppe in Deutschland dar und sollten daher ebenfalls gehört werden.<--break->

1. Inwiefern sind Zuschüsse Dritter bei der Finanzierung eines Katholikentags üblich?

In den letzten Jahrzehnten war es tatsächlich üblich, dass Bund, Land und Kommune sich mit ca. einem Drittel an den Kosten von Kirchen- und Katholikentagen beteiligt haben (Zahlen unter www.11tes-gebot.de/kosten.html). Die Kirche nennt dies „Prinzip der Drittelfinanzierung“ und versucht hieraus einen Zahlungsanspruch abzuleiten. Dies befreit Sie jedoch nicht von der Prüfung des Förderantrags nach den Maßstäben von Recht und Gesetz! Während die Schaffung kultureller Einrichtungen in § 8 Absatz 1 der Gemeindeordnung von NRW ausdrücklich erwähnt wird – würde die Förderung konfessioneller Glaubensfeste hingegen dem Verfassungsgrundsatz der Trennung von Staat und Kirche widersprechen, denn: „Der Gedanke der Fürsorge des Staates in Glaubensangelegenheiten ist dem Grundgesetz fremd.“ (Entscheidungen des BVerfG, Band 44, S. 37 [52 f.]) Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte zuvor hervorgehoben, dass das Neutralitätsgebot mit wachsender kultureller und religiöser Vielfalt und bei einem sich vergrößernden Anteil bekenntnisloser Menschen zunehmend an Bedeutung gewinne. Die tradierte Praxis der einseitigen Bevorzugung der christlichen Kirchen muss daher einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche weichen. Auch die Säkularisation ist eine Säule unserer Werteordnung – höhlen Sie die weltanschauliche Neutralität nicht aus, indem Sie das Grundgesetz gerade da missachten, wo es besonders darauf ankommt: Bei der Finanzierung! Bedenken Sie, dass Münster aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Zukunft auch die Glaubensfeste anderer Religionsgemeinschaften unterstützen müsste.

2. Inwieweit lässt die Vermögenslage des Bistums Münster oder einer anderen kirchlichen Stelle es zu, die geforderten Zuschüsse selbst zu übernehmen?

Rund 410 Mio. EUR – so hoch sind die Rücklagen des Bistums nach Auskunft seines Pressesprechers. Zwar sind hiervon Abschreibungen und Rückstellungen abzuziehen – doch wie viele kulturelle Einrichtungen kennen Sie, die statt ein Minus in der Bilanz zu haben auch noch Rücklagen in Höhe eines gesamten Jahreshaushalts bilden konnten?

Unklar bleibt die Höhe der abzuziehenden Negativposten. Im Rahmen seiner Transparenzinitiative 2013 hat das Bistum lediglich Bilanzzahlen für den sog. „Bischöflichen Stuhl“ veröffentlicht. Für die eigentliche Bistumskasse wurde jedoch nur ein altmodischer Haushaltsplan (also keine Bilanz und keine Gewinn- und Verlustrechnung) veröffentlicht. Pikant daran: Wer beim Bistum Fördergelder beantragt, muss nach dessen „Allgemeinen Bewilligungsbedingungen“ in einem solchen Fall auch einen „Nachweis des Vermögens und der Schulden“ mit dem Antrag einreichen. Es wäre schön, wenn das Bistum seinen eigenen Maßstäben entsprechen würde, bevor es das Geld der Steuerzahler erbittet. Die (vorgeschobene) Unwissenheit über den eigenen Reichtum würde man keinem Sportverein oder Kulturveranstalter bei der Beantragung von Fördergeldern durchgehen lassen – gerade solchen Gruppen möchte die Kirche aber gleichgestellt werden. Scheinheilig mutet es auch an, wenn das Bistum vor wenigen Tagen verkündet, dass „der demografische Wandel und die hohen Kirchenaustrittszahlen Einfluss auf den Etat haben werden“ und ein Sparkurs einzuschlagen sei – andererseits will man aber eine große Glaubensparty geben und sich das Geld von einer Stadt holen, die nicht erst in Zukunft, sondern schon jetzt unter einer Schuldenlast von weit über 760 Mio. EUR erstickt und an allen Ecken sparen muss. Wer seinen Geburtstag nicht selbst bezahlen kann, muss kleinere Feste feiern. Stattdessen will sich das Bistum auf Kosten auch von Anders- und Nichtgläubigen nach den teuren Feiern zum 750. Domjubiläum noch ein weiteres Fest gönnen. Wo bleibt da die von Papst Franziskus angemahnte Bescheidenheit?

3. Wie ist die Kosten- und Nutzenrelation eines Katholikentags für Münster?

Ein deutliches Umsatzminus von bis zu 40% verzeichnete der Innenstadteinzelhandel nach einer Marktforschungsstudie der Hochschule Bremen über die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen des 32. evangelischen Kirchentags (S. 44). Grund hierfür ist, dass viele Einwohner, die an dem Missionierungsspektakel bewusst nicht teilnehmen wollen, der Innenstadt lieber fern bleiben. Die vom ZdK vorgerechneten Ausgaben der Besucher kommen aber ganz überwiegend nur der heimischen Gastronomie und den Verpflegungsständen auf dem Veranstaltungsgelände zu Gute (siehe Studie, S. 43: 27 und 19 %). Nur 7,6 % der Besucher zahlen für ein Hotel – 75 % kommen in Gemeinschafts-/Privatquartieren oder bei Bekannten unter. Von einer breit gefächerten Wirtschaftsförderung kann daher keine Rede sein.

Es ist utopisch anzunehmen, dass über den Umweg einer leicht erhöhten Gewerbesteuer das Minus im Stadtsäckel kompensiert werden würde. Wenn die Gastronomie eine solche Veranstaltung als finanziell lohnend erachtet, sollte vorrangig diese sich daran beteiligen, denn für den Stadthaushalt wird es ein Minusgeschäft bleiben. So ist es z. B. für das Stadtfest 2015 geplant – dass sich nicht nur an Katholiken sondern an alle Münsteraner richtet. Hier gibt die Stadt nur 70.000 EUR hinzu, kann aber nach den vergangenen Erfahrungen mit bis zu 5 mal so vielen Teilnehmern rechnen im Vergleich. Nun auch den Katholikentag bezuschussen zu wollen, wäre nicht das sprichwörtliche Sahnehäubchen, dass sich eine schuldenfreie Stadt gönnen mag – es wäre vielmehr eine zusätzliche halbe Torte, die sich Münster damit leisten würde, nachdem es den Kulturschaffenden zunächst erklärt hat, dass die ursprüngliche Torte kleiner ausfallen muss: Im Haushalt 2014 hat Münster rund 2,3 Mio. EUR an Zuschüssen für Kultur und Wissenschaft veranschlagt. Die 1,5 Mio. EUR für den Katholikentag entsprechen also 65 % der Fördersumme, die Münster für das gesamte Jahr zur Förderung der freien Kultur aufbringen wird. Die Beantragten 1,5 Mio. EUR für den Katholikentag sind daher auch schlicht unverhältnismäßig.

In den Berechnungen des ZdK werden auch nicht die erhöhten Kosten der Stadt (Reinigung, ÖPNV, Polizei) in Abzug gebracht. Schließlich gibt es für die Stadt effektivere Investitionsmöglichkeiten: 2018 kann als das 400. Jahr nach dem Beginn des 30-jährigen Krieges von der Stadt für eine eigene Veranstaltungsreihe genutzt werden. Diese würde sich zum einen tatsächlich an alle Menschen, d.h. unabhängig von Ihrer Weltanschauung, richten und könnte über das gesamte Jahr laufen. Die erhöhten Kosten einer Massenveranstaltung blieben aus und der Effekt wäre nachhaltiger. Dies belegen die Erfahrungen mit dem Gemeinschaftsprojekt „Skulptur.Projekte Münster 07“, das 575.000 Menschen besuchten. Mit einer Förderquote von rund 10,78 EUR/Besucher war dieses Projekt nur etwa halb so teuer wie der Katholikentag, zog aber 7 mal so viele Gäste an.

4. Welche Leistungen erbringt Münster an katholische Einrichtungen?

Mindestens 300.000 EUR jährlich fließen an katholische Einrichtungen und sind zu hinterfragen. Nicht mitgerechnet sind hierbei Subventionen an Caritas, Papst-Johannes-Schule und andere katholische Wohltätigkeitsorganisationen, da die Stadt hierfür tatsächlich eine Gegenleistung erhält. (Die politischen Forderungen, die sich aus der sog. „Caritas-Legende“ ableiten, sollen hier außen vor bleiben.) Münster erlässt dem Bischöflichen Generalvikariat die Miete für die Clemenskirche i.H.v. 117.344,93 € jährlich. Des Weiteren bezuschusst die Stadt drei katholische Büchereien mit 115.250,– EUR pro Jahr, obwohl es eigene Bibliotheken unterhält und damit seiner Pflicht zur Daseinsvorsorge bereits nachkommt. Dass sich umgekehrt in den Büchereien des Bistums auch humanistische und säkulare Literatur findet, darf hingegen bezweifelt werden. Schließlich zahlt Münster dem Bistum pro Jahr 68.700,– EUR für „Ehe-, Familien- und Lebensberatung“. Diese Summe ist zum einen kritisch zu würdigen, weil die Stadt in diesem Bereich auch mehrere andere konfessionsunabhängige (!) Träger unterstützt und damit ihre öffentliche Pflicht schon erfüllt. Zum anderen wird man von einer Kirche erwarten können, dass sie für ihre Anhänger zumindest in diesen Fragen – die stark von deren Glauben geprägt sind – auch ohne die staatliche Unterstützung da ist.

Zu diesen 300.000,– EUR der Stadt müssen noch die 12,6 Mio. EUR pro Jahr addiert werden, die das Land NRW „seinen“ katholischen Bistümern überweist. Seit 1949 insgesamt über 600 Mio. EUR!

Um diese Zahlen zu bewerten ist es hilfreich, sie ins Verhältnis zu anderen Subventionen zu setzen: Für den Bereich Gesundheit gibt die Stadt 780.000 EUR aus, also gerade einmal das 2,5-fache. Die beantragten 1,5 Mio. EUR für die 5-tägige Katholikenveranstaltung entsprechen hingegen dem 5-fachen dessen, was katholische Einrichtungen bereits das gesamte Jahr über erhalten. 

Selbst wenn man die jährlichen Leistungen an katholische Einrichtungen nicht als zu hoch einschätzt, ändert dies nichts an der Bewertung einer Subventionierung des Katholikentags i.H.v. 1,5 Mio. EUR:

  1. Leistungen an Glaubensgemeinschaften aus religiöser Fürsorge heraus sind genauso verfassungswidrig wie die Bezahlung des Sommerfests einer Partei.
  2. Die Kirche kann – anders als Veranstalter kultureller/sportlicher Ereignisse – ihre Feier selbst bezahlen und ist damit nicht förderwürdig.
  3. Für ein 5-tägiges Glaubensfest sind 1,5 Mio. EUR unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu Leistungen an andere Organisationen und es gibt nachhaltigere Investitionsmöglichkeiten.
  4. Es gilt als gesichert, dass der Katholikentag 2018 nach Münster kommt. Die Stadt wird daher auch ohne die Subventionierung alle erhofften Vorteile (Medienpräsenz, Imagewerbung, Touristenausgaben, etc.) genießen können.
 

Unterzeichner des Apells:

 Ansprechpartner:

Maximilian Steinhaus | gbs-hochschulgruppejena@web.de | Tel. 0178 / 18 234 08

 

Was können Sie tun? 

Sie wollen erreichen, dass die Stadt Münster KEIN Geld für den Katholikentag zahlt? Dann teilen Sie Ihre Meinung insbesondere den Fraktionen von SPD und Grünen im Stadtrat mit, denn ohne deren Stimmen kann die CDU die Förderung nicht beschließen und alle anderen Fraktionen sind bereits dagegen – einzig SPD und Grüne sind noch unentschlossen. Schicken Sie daher einen Brief, ein Fax, eine E-Mail oder unsere Postkarten, die wir in Münster während unserer Aktion verteilt haben, an deren Fraktionen: 

SPD Münster 

Bahnhofstr. 9, 48143 Münster 

Tel.: 0251 77099 

Fax: 0251 793002

E-Mail an Dr. Michael Jung (Fraktionsvorsitzender): 

jung@muenster.de 

 

Geschäftsstelle der Ratsfraktion der Grünen im Stadtrat

Windthorststr.7 

48143 Münster 

Tel: 0251 / 8 99 58 – 10

Fax: 0251 / 8 99 58 – 15 

E-Mail: ratsfraktion@gruene-muenster.de 

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