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Kirchentage sind Ritual gewordene Glaubensfeste

Eine Umfrage durch Studenten der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig unter den Besuchern des evangelischen Kirchentags in Hamburg 2013 und Dresden 2011 ergab, dass ein beträchtlicher Anteil der Kirchentagsteilnehmer zu der Gruppe der Mehrfachbesucher zu rechnen ist. Die Ergebnisse der Studie können im Detail in Pickel, Jaeckel und Yendell: "Der Deutsche Evangelische Kirchentag - Religiöses Bekenntnis, politische Veranstaltung oder einfach nur ein Event?", 2015, nachgelesen werden.

Über die Hälfte der Besucher des Kirchentags 2011 war demnach bereits vorher auf mindestens zwei Kirchentagen, für 11 % war es der zweite Besuch. Somit gehörten rund zwei Drittel der Besucher in Dresden zu den Mehrfachbesuchern. In Hamburg 2013 waren die Zahlen ähnlich, hier waren rund 60% Mehrfachbesucher. Somit scheint ein Kirchentagsbesuch mittlerweile für viele aktive Christen zu einer Art „Glaubensritual“ geworden zu sein.

Die Umfrageergebnisse belegen, dass die eigentliche Funktion der Kirchentage die Identitätsstärkung für die teilnehmenden Christen ist. Sie zeigen, dass „[…] der Besuch dort für einen Großteil der Teilnehmer offensichtlich zum festen Bestandteil ihres religiösen Lebens geworden ist. (ebenda, S. 64). Der Kirchentag, so das Resümee der Leiter der Umfrage, ist „eine gute Gelegenheit für engagierte evangelische Christen […], andere entsprechend Engagierten zu treffen, ihre eigene Identität zu stärken, sich ihrem eigenen Handeln im Spiegel der anderen Menschen zu versichern und neue Kontakte zu knüpfen […]“ (gleiche Quelle, S. 111). Für die meisten Kirchentagsbesucher steht die „Auslebung der eigenen Religiosität und die Gemeinschaft mit anderen Christen“ klar im Vordergrund (S. 51).

Auch wenn die Veranstalter den Kirchentag gern als gesamtgesellschaftliches Ereignis bewerben, belegen diese Zahlen, dass er genau das nicht ist. Vielmehr handelt es sich beim Kirchen- bzw. Katholikentag im Wesentlichen um ein Glaubensfest von und für Christen. Dem Charakter des Kirchentages als rein innerchristliches Fest entspricht, dass rund 99% der Besucher des Kirchentags Hamburg 2013 und Dresden 2011 Mitglieder einer christlichen Kirche waren. Für alle anderen Bevölkerungsgruppen (die in vielen Großstädten bereits die deutliche Mehrheit ausmachen!) sind Kirchentage erwiesenermaßen völlig uninteressant. Relevanz für den nicht-christlichen Anteil der Bevölkerung erlangen die Kirchentage somit alljährlich allein dadurch, dass diese regelmäßig gezwungen werden, über ihre Steuergelder ein Glaubensfest einer Religion mitzufinanzieren, der sie nicht angehören. Oftmals hat der nicht-christliche Bevölkerungsteil die Kirche aufgrund deren Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen, Sterbehilfe und Homosexualität und den diskriminierenden Arbeitsbedingungen bei Caritas und Diakonie aktiv verlassen. Trotzdem muss er regelmäßig ein christliches Glaubensfest für die wahrlich nicht armen Kirchen (mit)bezahlen, da mag die betroffene Stadt noch so verschuldet und die Mittel im Sozial- und Bildungsbereich noch so knapp sein.

 

By thorstenadmin